Ich sitze hier im Wartezimmer und warte immer, bis man meine Nummer nennt, weil meinen Namen niemand kennt. |
Vor mir auf dem Monitor kommen lauter Zahlen vor. Wenn diese sich mit meiner gleichen, dann darf auch ich zum Schalter schleichen. |
"Mit der Nummer habe ich das große Los gezogen", dachte ich noch ungelogen. Doch leider ist auf meinem Los die kleine Nummer ziemlich groß. |
Jetzt zieht sich meine Nummer hin, weil ich nicht an der Reihe bin. In mir regt sich schon die Ungeduld und daran ist die hohe Nummer schuld. |
Die Nummern vor mir, die da blinken, die mir von weitem hämisch winken, wollen sich nicht weiter zählen, sie wollen mich nur sinnlos quälen. |
Warum treibt die Nummern niemand an? Jeder weiß, dass ich so schwerlich warten kann. Ich will doch nur mein Nummernzeichen. So werde ich das nie erreichen! |
Warum kommt jetzt diese Ziffer vor der meinen? Das will mir ungerecht erscheinen. Ich brülle laut: "Das ist gemein! Die Nummer muss ne falsche sein." |
Jetzt spring' ich auf und schreie wild: "Ich will sofort mein Nummernschild! Jemand spielt mit faulen Karten und lässt uns alle sinnlos warten." |
Die Frau vom Schalter ruft mir zu: "He, geben sie jetzt endlich Ruhe!" Die Nummern sind sehr wohl sortiert. Ein Fehler ist noch nie passiert." |
"Das glauben sie ja selber nicht, sie sind wohl selbst der Bösewicht, der die Nummern hier frisiert...." "Sie spinnen wohl!" ruft sie schockiert. |
Mein Nebenmann mischt sich jetzt ein: "Ich wart' auf meinen Führerschein gefühlt hier schon seit vierzehn Tagen, da brauchen sie noch gar nicht klagen". |
Der kommt mir jetzt gerade recht. "Was willst denn du, du Kummerknecht? Gibt doch zu, dass du hier pennst, weil du keine Nummern kennst." |
Das war dann wohl zu unverfroren. Er packt mich rücklings an den Ohren und schlägt mir ohne nur ein Zagen den Führerschein samt Ordner in den Magen. |
Ich sink zu Boden, torkel', schwank' und finde doch noch, Gott sei Dank, an seinem Mantel meinen Halt und reiß ihn nieder mit Gewalt. |
Hier hast du meinen Fahrzeugschein du dickes, fettes, altes Schwein! Den stopf' ich ihm in seinen Mund ganz tief und flüster': "Sei froh, es ist kein Fahrzeugbrief!" |
Doch neben mir die junge Zicke meint: "Pass' auf, wie ich dich jetzt gleich ficke!" und tritt mit ihrem Stiefelschaft mir mitten in die Manneskraft. |
Ich wälze mich gekrümmt am Boden, bekomme kaum noch richtig Odem, schwenk dann herum mit richtig Zaster, schon liegt sie neben mir am Pflaster. |
"Du bist scheint's echt ne kleine Nummer", feixe ich und habe gleich schon wieder Kummer, denn ihr Freund gleich neben ihr ist ein richtig großes Tier. |
"Hey du Wichser, lass die Kleine, sonst mache ich dir richtig Beine!" und drückt sogleich mir seine Stiefelsporen auf den Kopf dort bei den Ohren. |
"Jetzt hast du gar nichts mehr zu lachen, mein Udo wird dich fertigmachen. Er ist nicht nur geil im Bett, Häschen bitte, zeig' ihm dein Stilett!" |
Ich glaub es kaum – mit aller Kraft, rammt Udo jetzt bis an den Schaft mir das Messer in den Wanst, aus dem sofort ein Blutstrahl tanzt. |
Ich fühle meine Kräfte weichen, seh' mich schon im Zug der Leichen, werde weiß wie eine Wand, und schlimmer noch, mir fällt die Nummer aus der Hand. |
"Nein, nicht die Nummer hauche ich! Ohne die mach' ich hier keinen Stich. Ohne Nummer auf der Stelle ist das hier die reinste Hölle." |
Jemand schüttelt mich am Kragen, "Udo, lass mich dir noch etwas sagen..." "Aufgewacht, wir schließen jetzt, der Schalter ist nicht mehr besetzt." |
Mir träumte wohl, wird mir jetzt klar, Udo war wohl gar nicht wahr. Erleichtert blicke ich umher. Der ganze Raum ist menschenleer. |
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