Altersfrust


Das Alter nagt an mir
und wenn ich dran denke,
wein' ich heimlich ein paar Tränchen.
Es nagt so gierig, verwegen, beständig
wie ein Wies'nbesucher an seinem Hähnchen
nagt es beißend und wendig
an allem, bis hin zum Fähnchen.
Und ehrlich gesprochen,
auch das steht gebrochen.

 
Bild: hunger-413685_1280 (Quelle: pixabay.com)

Schon am Morgen zerrt's an den Sehnen.
Bei jedem Bücken lässt es mich stöhnen
und hemmt meinen Lauf.
Und das Schlimmste ist, es hört niemals auf.
Sogar in den Nächten und an helllichten Tagen
spür' ich das Alter und wähne sein Nagen
unbarmherzig und schwer,
als ob ein Hähnchen ich wär'.

 
Bild: poultry-3297369_1280 (Quelle: pixabay.com)

So vergehen die Jahre
und ich denke verzweifelt,
warum nur die Haare am Kopf
und nicht die an Backe und Kropf.
Auf die könnte ich freilich verzichten
und müsst' keine Rasur mehr verrichten,
wenn der Bart nicht mehr käme.
Ich glaube, das Alter hat Spaß an der Häme
und freut sich bestimmt,
wenn ich mich gräme.

 
Bild: people-3060107_1280 (Quelle: pixabay.com)

Am deutlichsten aber bei allen Alten
sieht man die Haut sich zerrunzeln in unsägliches Falten.
Einst war sie so zart wie die Babys am Po,
jetzt liegt sie zerfurcht wie zerackertes Stroh.
Es bleibt nur am Ende die Gewissheit zurück,
mir zerfällt selbst das Stroh noch Stückchen für Stück,
bis ich völlig in Asche mich wähne
beweinend die Jugend
Träne um Träne.

 
Bild: elephant-4077701_640 (Quelle: pixabay.com)

Früher mit meinen wenigen Lenzen
war ich mir sicher, welch' Hochmut, ich Pfosten,
ich könnte das Alter einst schwänzen,
müsste selbst diesen Kelch nicht verkosten
und kann mit 80 noch jugendlich glänzen.
Zu fern lagen die buckligen Jahre,
zu weit am Horizont zogen die graurigen Stare
ihre schwindenden Kreise.
In mir war es laut und das Alter noch leise.
Ich sah' Oma und Opa, ihr faltiges Wesen,
hielt sie für "von gestern" und manchmal auch weise
und dachte, so wären sie immer gewesen.

 
Bild: nature-3133508_1280 (Quelle: pixabay.com)

Alter, das ist nicht zum Lachen.
Man könnte verzweifeln
vor dem gierigen Rachen,
der das Leben verschlingt, als wäre es Heu.
Was soll's, ich will das Beste draus machen
und fest darauf bauen
im Tod wie im Leben, Christus ist treu!
Ihm schenk' ich mein altes Vertrauen
immer auf's Neu',
um jetzt schon ewige Jugend zu schauen.

 
Bild: man-888591_1280 (Quelle: pixabay.com)

16.11.2022  ↑    



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© WolfgangJohannesWelk ( wjw@reimquelle.de )

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